Frankfurt am Main, 5.8.2018 - Anfangs, im Juni 2015, hielten viele US-Konsumenten sie für einen netten Gag: Alexa, die künstliche Stimme und Intelligenz, die ihnen aus den Amazon-Lautsprechern Echo bzw. Echo Dot entgegengurrte und auf fast jeden Wunsch eine Antwort wusste. Knapp zwei Jahre später enterte Alexa auch die deutschen Haushalte.
Einer jüngeren Studie des Beratungsunternehmens capgemini zufolge sind die Nutzer begeistert. Mehr als 64 Prozent von ihnen haben bereits mit Alexa, mit Siri von Apple oder Google Home geplaudert und sich durchs Leben begleiten lassen.
Technikkritiker bemängeln eine Infantilisierung der Kommunikation, besonderes Interesse zeigen jedoch Datenschützer an den Sprachassistenten mit der künstlichen Intelligenz: Natürlich sollen diese erst auf ein Startwort hin aktiv werden und sich mit ihren Servern in den USA verbinden - aber nicht immer scheint das so zu funktionieren.
Irrtümlich ausgeführte Online-Bestellungen oder ad hoc-Parties, die Alexa mit sich selbst (und unfreiwillig die Nachbarn mit ihr) feiern, lassen an der Vertraulichkeit der Mensch-Machine-Kommunikation zweifeln.
Aber noch eine ganz andere Klientel sollte vor Alexa und Co. viel Respekt haben: traditionelle Einzelhändler.
In den nächsten drei Jahren prophezeien die Experten von capgemini rasante Umsatzsteigerungen von sprachassistenz-induzierten Umsätzen an den gesamten Konsumausgaben von 600 Prozent. Durch die insgesamt rasch wachsenden Umsätze allein des deutschen Online-Handels bleiben in den kommenden Jahren mutmasslich mehr als zehn Prozent der jetzt noch aktiven Händler auf der Strecke.
Aber auch die Freunde von Alexa & Co. entmündigen sich freiwillig: denn in der Regel sind die Angebote, die Alexa ihren Besitzern macht, zwar von dieser Welt, aber eben aus jener von Jeff Bezos. Und die Suche nach alternativen oder günstigeren Angeboten ist dann wieder vergleichsweise unbequem.
85 Prozent der Konsumenten folgen denn auch den Vorschlägen Alexas, wie die Online-Quelle BÖRSE am Sonntag vom 4.8.2018 auf die Unternehmensberatung OC&C verweisend berichtet.
Amazon ist einer der weltweit emsigsten Treiber von Forschung auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz (KI); auch Deutschland profitiert von diesen Investitionen - künftig zusammen mit dem Tübinger Max-Planck-Institut.
Doch zurück zum Einzelhandel und dessen Zukunft (BÖRSE am Sonntag, 4.8.2018 - „Einzelhandel. Die grosse Angst vor Alexa“):
„Auch Capgemini-Experte Achim Himmelreich sieht die Sprachassistenten zu einer existentiellen Bedrohung für den Händler werden. Wer in diesem Feld nicht präsent sei, finde in der Branche bald nicht mehr statt, warnt er. ‚Sprachassistenten entscheiden, welches Produkt von welchem Händler bestellt werden soll.‘, sagt HDE-Hauptgeschäftsführer Stephan Tromp. Damit wird also zwischen den Käufer und den Verkäufer eine dritte Instanz geschaltet, die zu ihrem eigenen Vorteil auswählt, wo der Käufer kaufen soll. ‚Langfristig werden also die Selektions- und Marketingprozesse von Sprachassistenten einen wichtigen Faktor für den Erfolg und Misserfolg von Produkten und Händlern darstellen‘, so Tromp weiter.
Für den Einzelhandel stellt sich damit die Frage: Wie verkauft man in Zukunft Produkte ohne Zugang zum Kunden? Die Antwort ist so einfach wie entmutigend: Mit sehr viel Geld, dass man an Amazon, Google und Co. zahlt, damit die am Ende genau dieses Produkt ihren Kunden vorschlagen. So könnten einmal mehr die ganz großen Konzerne gewinnen, kleine Mittelständler dagegen verlieren. Die globale Einkaufswelt darüber hinaus wieder ein Stück einheitlicher werden. Und damit auch wir selbst.“
Schöne neue Einkaufswelt.