UPDATE - Mülheim an der Ruhr/Köln/Berlin, 8.12.2016 - Edeka und Rewe haben heute den Kaufvertrag über die nach der Fusion von Kaiser’s Tengelmann und Edeka an Rewe übergehenden Filialen von Kaiser’s Tengelmann unterschrieben, Rewe seinen Einspruch gegen die Fusion beim OLG Düsseldorf zurückgenommen und das Bundeskartellamt den Übergang der vereinbarten Zahl von - jetzt - Edeka-Filialen an Rewe zugestimmt.
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UPDATE - Mülheim an der Ruhr/Köln/Berlin, 2.12.2016 - Die Kuh bei Kaiser’s Tengelmann scheint endlich vom Eis zu sein. Wie zahlreiche Medien berichten, darunter auch Michael Kläsgen in der Süddeutschen Zeitung, haben sich Edeka und Rewe nach monatelangen Verhandlungen einschliesslich Schlichtungsbemühungen Altkanzler Schröders und Bert Rürups auf einen unterschriftsreifen Vertrag geeinigt, der nun dem Bundeswirtschaftsministerium zur Prüfung vorliegt.
Diese Formalie ist notwendig, weil die Übereinstimmung der Einigung mit der von Sigmar Gabriel erteilten Ministererlaubnis geprüft und dem Vertrag dann auch zugestimmt werden muss - gleiches gilt für das Bundeskartellamt. Die Gewerkschaften ver.di und Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) haben ebenfalls ein Einsichtsrecht.
Rewe wird in der Nikolauswoche seine Beschwerde gegen die Erteilung der Ministererlaubnis beim OLG Düsseldorf zurückziehen - und somit die Voraussetzung für deren Wirkung schaffen.
So teilen sich also Edeka und Rewe den deutschen Supermarkt-Handel praktisch unter sich auf - und schützen zugleich auch noch fünf (bei betriebsbedingten- oder Änderungskündigungen) respektive sieben Jahre lang (bei Weitergabe an selbständige Einzelhändler) die aktuell vorhandenen Arbeitsplätze, sei es in den Kaiser’s Tengelmann-Filialen oder in den zugehörigen Verwaltungs-, bzw. Produktions- und Logistikstrukturen (z.B. Fleischwerke).
Und die Filialen? Dazu Michael Kläsgen in der Süddeutschen Zeitung:
„Wer welche Filiale in welchem Bundesland erhält, darüber stritten Edeka und Rewe fast zwei Monate lang. Pro forma gehen in einem ersten Schritt alle bundesweit noch gut 400 Filialen von Kaiser's Tengelmann an Edeka. Aber in der sogenannten gleichen juristischen Sekunde des Kaufs gibt der Hamburger Konzern die zuvor mit Rewe ausgehandelten Standorte an den Konkurrenten aus Köln weiter. Dazu gehören 62 und damit etwa die Hälfte aller Supermärkte von Kaiser's Tengelmann in Berlin sowie die dortige Verwaltung, Fleischwerke (in Brandenburg) und Läger. Zudem je zwei renditestarke Filialen in Bayern und in Nordrhein-Westfalen. Da bei diesem Geschäft aber alles kompliziert ist, lautet die Zahl nicht 66 (62+2+2), sondern offiziell 67. Denn eine Filiale in Berlin wechselt den Standort und muss daher doppelt beim Kartellamt angemeldet werden.“
Freilich hätten sich viele Interessierte gewünscht, dass letztinstanzlich der BGH (Bundesgerichtshof) darüber entschieden hätte, wie weit eine Ministererlaubnis im Rahmen eines Kartellfalls gehen kann. Perdu - dazu wird es jetzt nicht mehr kommen.
Im Gegenteil: juristisch gesehen handelt es sich bei der Fusion von Edeka und Kaiser’s Tengelmann in Berlin gar um eine „Aufholfusion“; der Marktführer gibt Filialen an den Marktzweiten ab. Umgekehrt erhält Edeka in Oberbayern (ausserhalb Münchens) die Filialen von Kaiser’s Tengelmann dazu.
All das muss für die Preis- und Qualitätsentwicklung im hochkonzentrierten deutschen Lebensmittelhandel (LEH) nicht unbedingt schädlich sein. Zwar teilen sich nach Angaben des Bundeskartellamts Edeka, Aldi, Lidl und Rewe nunmehr 85% des Marktes unter sich auf; gleichzeitig gilt der deutsche LEH als extrem preisaggressiv und margenarm. Das haben auch immer wieder ausländische Unternehmen erleben müssen, die auf den deutschen Markt drängten (Wal-Mart oder Marks & Spencer).
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UPDATE - Mülheim an der Ruhr/Köln/Berlin, 15.11.2016 - Rewe und Edeka haben sich am Abend über die Aufteilung der rund 400 verbliebenen Kaiser’s Tengelmann-Filialen in Berlin, Bayern und Nordrhein-Westfalen geeinigt.
Wo es in den Verhandlungen jetzt noch klemmt? Beim Kaufpreis.
Wirtschaftsprüfer sind nun schon seit Wochen in einen Due Dilligence-Prozess vertieft, der den Wert der Kaiser’s Tengelmann-Filialen ermitteln soll.
Nach Abschluss dieser Ermittlungen wissen die Verantwortlichen sowohl bei Edeka als auch bei Rewe mehr: die konkrete Kaufsumme, die Edeka an Kaiser’s Tengelmann für die Übernahme des kompletten Filialnetzes zu überweisen hat und jener Betrag, der anschliessend wieder auf das Edeka-Konto zurückfliesst, nachdem Rewe die Wunschfilialen übernommen haben wird. Klingt kompliziert und langwierig? Ist es auch!
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Mülheim an der Ruhr/Köln/Berlin, 2.11.2016 - Kaiser’s Tengelmann hat noch nicht fertig - oder anders ausgedrückt: es ist längst noch nicht alles gut für die rund 15.000 Beschäftigten und deren Arbeitsplätze.
So verkündete Wirtschaftsminister Gabriel an Allerheiligen zwar stolz die Einigung der Kontrahenten Kaiser’s Tengelmann und Rewe, aber es bleibt darob nicht nur ein ungutes Gefühl bei Branchenbeobachtern zurück, sondern auch bei den betroffenen Beschäftigten.
Rewe wird der Vereinbarung zufolge als letztes der drei beschwerdeführenden Unternehmen gegen Gabriels Ministererlaubnis zur Genehmigung des Zusammenschlusses von Kaiser’s Tengelmann und Edeka seine Beschwerde beim OLG Düsseldorf bis zum 11.11. zurücknehmen. Vielleicht mag das Datum symbolischen Wert haben und der heilige Martin zerteilt seinen Mantel für dieses Mal nicht nur in zwei Teile, wie die Legende berichtet, sondern in mindestens vier.
Denn nach dem Einlenken Rewes würde die Ministererlaubnis Gabriels wieder gelten und damit auch deren inhaltliche Regelungen. Allerdings hält sich Rewe aktuellen Meldungen zufolge auch hier noch mindestens ein Hintertürchen offen: Rewe beantragte beim OLG Düsseldorf zuerst einmal, sein Beschwerdeverfahren lediglich ruhend zu stellen, zieht seine Beschwerde also noch nicht vollständig zurück.
Wer weiss, vielleicht klappt es ja mit der Bestandserhaltung und der Arbeitsplatzgarantie für die Kaiser’s Tengelmann-Beschäftigten und die nächsten sieben Jahre?
Edeka käme dann wie im Fusionsvertrag 2014 vereinbart zum Zuge. Allerdings mit einem „klitzekleinen“ Haken: Rewe kann laut Schlichtungsergebnis einen „Interessenausgleich“ als Gegenleistung für den Rückzug seiner Beschwerde verlangen. Bislang schweigen sich die Beteiligten über Form und Inhalt dieser Gegenleistung aus. Wirtschaftsprüfer sind derzeit mit dem Feilen an Einzelheiten betraut - es wurde Stillschweigen vereinbart.
Durchgesickert ist laut verschiedener Quellen, dass Rewe gerne einen Teil der Kaiser’s Tengelmann-Filialen in Berlin übernehmen möchte. Laut dpa-Informationen soll es dabei um Märkte mit einem Bruttoumsatz von 300 Millionen Euro gehen. Die Berliner Filialen gelten wie die Münchner Märkte überwiegend als rentabel. Wie schaut es dann aber mit dem nordrhein-westfälischen Filialnetz aus? Hier entstehen dem Unternehmen laufende Defizite. Und wie schaute es ferner mit einer neuerlichen Prüfung durch das Bundeskartellamt aus? Das müsste beim Abweichen von der ursprünglichen 2014er-Konstellation wieder aktiv werden.
Rita Lauter und Alexandra Endres von ZEIT ONLINE am 1.11.2016 dazu:
„Es (das Bundeskartellamt, MB) prüft dann die Wettbewerbssituation auf ‚Mikroebene‘, also in den einzelnen Stadtteilen, wie es Justus Haucap , Professor an der Uni Düsseldorf, ausdrückt. Er hat im Auftrag von Tengelmann ein Gutachten über die Wettbewerbseffekte einer etwaigen Fusion mit Edeka erstellt. Da Rewe in manchen Berliner Stadtteilen wie Prenzlauer Berg und Grunewald bereits der stärkste Anbieter ist, liegt es nahe, dass das Kartellamt hier Nein sagt, erklärt Daniel Zimmer, Professor für Wirtschaftsrecht in Bonn, der aus Protest gegen Gabriels Ministererlaubnis als Chef der Monopolkommission zurückgetreten war. Die Kaiser's-Tengelmann-Märkte in Bayern dagegen sollen wohl an Edeka gehen. Was mit den Filialen in Nordrhein-Westfalen geschieht, ist noch unklar. Dort hat Kaiser's Tengelmann die meisten Supermärkte – und Edeka ist dort bereits sehr stark. Haucap sagt, wenn Edeka auch dort die Kaiser’s-Tengelmann-Filialen übernimmt, könne es in einzelnen Stadtteilen durchaus zu einer marktbeherrschenden Stellung von Edeka kommen – wegen der Ministererlaubnis hat das Kartellamt hier aber nichts mehr zu melden.“
Unklar ist zum jetzigen Zeitpunkt auch der künftige Umgang mit den nach einer Fusion zwangsläufig entstehenden Doppelstrukturen, z.B. in der Logistik und Verwaltung, oder in produzierenden Teilen des neuen Unternehmens. Auch die Zukunft der bestehenden Edeka-Filialen fällt in diesen Unschärfebereich. Zumindest Versetzungen von Personal wären nach dem Schliessen einiger Edeka-Filialen denkbar. Und die Zentrale von Kaiser’s Tengelmann in Mülheim würde sicherlich nicht mehr benötigt.
Für uns Kunden sieht der Deal auch nicht gerade rosig aus: sowohl die Marktmacht der Nummer 1 - Edeka als auch der Nummer 2 - Rewe nähme jeweils zu. Das könnte zu steigenden Preisen, längeren Wegen und eingeschränktem Angebot im Sortiment führen.
Aber natürlich könnte es auch ganz anders kommen - wenn es denn überhaupt soweit kommt?