Mastodon Mastodon Umbruch im deutschen Buchhandel - Herder übernimmt Thalia | Rückenwind für Ihr Geschäft | RetailConsult.de - Michael Borchardt, Frankfurt am Main

Umbruch im deutschen Buchhandel - Herder übernimmt Thalia

Freiburg / Hagen, 1.8.2016 - Ein klein wenig muss man sich schon die Augen reiben ob der Nachricht: der Freiburger Herder-Verlag steigt bei Thalia ein. 

Moment, das lief vor zwanzig Jahren doch auch schon mal anders herum. 

Richtig, damals verkaufte die Verlegerfamilie Herder ihre Buchhandlungen an die Familie Kreke, welche diese in die Thalia-Filialkette integrierte. Lediglich die Carolus-Buchhandlung in Frankfurt am Main, damals noch in günstiger Lage am Liebfrauenberg, blieb im Besitz von Herder. 

Und nun?

Thalia ist auf dem deutschen Buchmarkt der zweitgrösste Spieler nach Amazon und mit seinen mehr als 280 Buchhandlungen und einem geschätzten Bruttoumsatz von 960 Millionen Euro (lt. Buchreport online, 11.7.2016) in Deutschland, Österreich und der Schweiz zugleich auch Marktführer im Sortimentsbuchhandel des deutschsprachigen Raums. 

Verrückte Welt? Mag sein. Aber die vergangenen Jahre bei Thalia verliefen auch sehr schwankend und hie und da bewegten sich die Kunden in einer Filialwelt, die neben Lego-Figuren, Prinzessin Lillifee-Schlössern, einem breiten Schreibwarensortiment, diversen Notizbuchserien, Saisonartikeln, CDs und DVDs auch ein paar Bücher bereithielt - ins Auge fielen v.a. stapelweise Bestseller. 

Und jetzt soll alles anders werden - weg vom Kleinkaufhaus? 

Schon 2012 trennten sich die Eigentümer der damaligen Douglas Holding von ihrer Mehrheitsbeteiligung und damit auch von Thalia - diese ging an den Investor Advent International. 

Advent zerlegte und verkaufte daraufhin nach bewährter Investorenart die meisten Sparten der ehemaligen Douglas-Holding - nur für Thalia liess sich kein Käufer finden, auch nicht nach mehreren Anläufen. Also entschloss man sich zur Restrukturierung der Filialkette. 

Laut Ranjan Sen, Managing Partner der Advent International, 

„steht ‚Thalia heute, nach erfolgreicher Neuausrichtung, wieder auf wirtschaftlich gesunden Füßen und wächst aus eigener Kraft.‘ Mit den neuen Eigentümern übernehmen nun strategische Partner das Steuer, ‚die neue Impulse setzen können und damit die Marktposition von Thalia weiter stärken werden‘ “ (zitiert nach Buchreport online, 11.7.2016). 

Damit setzt sich der neue Eigentümerkreis (Konsortium) zusammen aus der Verlegerfamilie Herder, der Unternehmerfamilie Kreke als bisherigen massgeblichen Minderheitsgesellschaftern, Leif Göritz (Digitalunternehmer, ebenfalls bereits an Thalia beteiligt) sowie dem Thalia-Vorstandsvorsitzenden Michael Busch als geschäftsführenden Gesellschafter - vorbehaltlich der Zustimmung durch das Bundeskartellamt. 

Verleger Manuel Herder - er führt das Unternehmen seit 1999 in der sechsten Generation - äussert sich lt. Buchreport zum Kauf von Thalia, 

„dass es (Thalia, MB) Trends und Veränderungen im Buchhandel früh erkennen und erfolgreich gestalten kann. Zugleich steht das Unternehmen wie kaum ein anderes für den Erhalt der innerstädtischen Lesekultur, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Die intensiven Gespräche der vergangenen Wochen haben gezeigt, dass wir mit der Familie Kreke und dem Managementteam um Michael Busch die gleichen Werte und langfristige Vision für Thalia teilen.“

Mag sein, aber Herder hat sich in den vergangenen Jahren sehr stark mit Entwicklung und Beteiligungen rund um digitale und audiovisuelle Themen und mobilen Inhalten beschäftigt. 

Leif Göritz und Herder kennen sich bereits aus anderen gemeinsamen Projekten. 

Nach Karriere beim German Centre Bejing und der Boston Consulting Group ist er seit 2013 als Unternehmer und Förderer (Inkubator) digitaler Start-Ups tätig. Parallel dazu wurde er als Beirat in die Geschäftsführung der Herder GmbH berufen. 

Seit vergangenem Jahr leitet er als Geschäftsführer die Smart Mobile Factory GmbH - 2014 von ihm und der Familie Herder gemeinsam übernommen. 

Sind das alles Hinweise auf eine Rückkehr des innerstädtischen Buchhandels? Doch wohl eher auf eine verstärkte Digitalisierung von Leseinhalten. Und was ist mit der Filialgrösse? Kunden möchten inzwischen die Wahl haben zwischen wirklich grossen Buch-/Medienkaufhäusern und übersichtlichen Buchhandlungen, in denen sie sich orientieren können. Und Thalia - liegt ziemlich genau in der Mitte. Es bleibt also spannend im deutschen Buchhandel.

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